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Umbau einer Bandanlage zu 100 % remote

Umbau einer Bandanlage zu 100 % remote

Der Umbau der Querteilanlage Nr. 5 bei Hulamin zu einer „Combilinie“, die Coils auch umwickelt und besäumt, war zunächst kein außergewöhnliches Projekt.

Als jedoch die Reisebeschränkungen des Jahres 2019 verkündet wurden, geriet der Projektplan massiv in Gefahr: Kein Experte von Georg durfte nach Südafrika reisen und vor Ort arbeiten. Dennoch ging die Anlage nach einer „100 % remote“-Inbetriebnahme auf den Tag genau zum ursprünglich geplanten Termin und innerhalb des Kostenrahmens erfolgreich in Betrieb.

Im Werk Pietermaritzburg, Südafrika, der Hulamin Ltd. (früher Hulett Aluminium) hat Georg die bestehende Querteilanlage 5 umgebaut. Aufgrund des beständig steigenden Auftragseingangs – unter anderem aus der Automobilindustrie – ist das Werk stark ausgelastet und zusätzliche Umwickel- und Besäumkapazität musste geschaffen werden. Deshalb hatte das Management beschlossen, die Querteilanlage 5, die Georg 1999 in Betrieb genommen hatte, zu einer „Combiline“ umzubauen, die Bänder wahlweise querteilen oder auch besäumen und aufwickeln können sollte.

Es war geplant, hinter der Richtmaschine eine neue Aufwickelhaspel mit Andrückarm, Stützlager und Bundhubwagen für die Entnahme der Coils mit einem Außendurchmesser von bis zu 2.200 mm und einem Gewicht von bis zu 15 t zu integrieren.

Der mechanische Umbau brachte keine außergewöhnlichen Anforderungen mit sich: Die neuen Komponenten wurden in den ausreichend großen Freiraum hinter einem Treiber integriert. Im Querteilbetrieb überbrücken schwenkbare Rollentische den Zwischenraum unter der leeren Haspel so, dass weiterhin auch abgetafelt werden kann.

Dahingegen stellten die Erweiterung der Automatisierungstechnik und der Prozesssteuerung von „Querteilen“ auf „wahlweise Querteilen oder Besäumen und Aufwickeln“ eine Herausforderung dar. Hinzu kam, dass im Zuge der Umbaumaßnahmen auch die Leittechnik von einer Siemens S5- mit einer S7-1500-Steuerung auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden sollte.

Die Krise

Ende 2019 hatte Hulamin Georg den Auftrag erteilt. Zu diesem Zeitpunkt konnten beide Partner noch nicht wissen, dass der Umbau in die dritte Welle der Corona-Pandemie fallen würde. Im April 2020 hatte die Bundesregierung ein Reiseverbot verhängt und im Dezember 2020 war klar, dass das Projekt entweder auf unbestimmte Zeit verschoben oder der Umbau und die Inbetriebnahme ohne Personal von Georg auf der Baustelle durchgeführt werden mussten.

Da ohne den Umbau die Lieferfähigkeit des gesamten Werkes auf dem Spiel gestanden hätte, suchte das Projektteam Möglichkeiten, den für April 2021 geplanten Termin für die Inbetriebnahme dennoch einzuhalten … ein Vorhaben, das einige am Projekt Beteiligte als nicht machbar eingestuften.

Die wesentlichen Herausforderungen bestanden nicht nur in den Reisebeschränkungen und der großen Entfernung zwischen beiden Standorten. Hinzu kam, dass während der Pandemie in beiden Unternehmen etwa 50 Prozent der Mitarbeiter von zu Hause ausgearbeitet haben.

Georg hatte jedoch bereits umfangreiche Erfahrung, im Rahmen der Fernwartung mit dem Georg Connected Service Kunden vor Ort „remote“ zu unterstützen. Diese digitale Kommunikation macht es möglich, auch während des Baus und der Inbetriebnahme von Anlagen sehr einfach zu kommunizieren. Bereits bei der Inbetriebnahme von fünf Walzenschleifmaschinen für die Baowu Steel Group Corp., Ltd. am Standort Zhanjiang in der chinesischen Provinz Guangdong hatte sich die digitale Kommunikation bewährt.

Daher entschieden beide Partner gemeinsam, das Projekt von Kreuztal aus weitestgehend remote zu realisieren. Für die Arbeiten an Mechanik und Elektrotechnik, für die die Anwesenheit qualifizierten Personals vor Ort zwingend erforderlich war, beauftragte Georg ein südafrikanisches Unternehmen, das seit den späten 90er Jahren Georg bereits bei der Inbetriebnahme mehrerer Anlagen in Südafrika unterstützt hat. Die Migration der Prozesssteuerung vom vorhandenen Siemens S5- auf das neue S7-1500-System übernahmen Spezialisten bei Georg, die beide Welten kennen und die Systeme gekoppelt haben.

Die Werkzeuge

Die Basis für die Verbindung zwischen der Prozesssteuerung der Combiline und den Experten am Firmensitz von Georg in Kreuztal war und ist der Georg Connected Service. Mit einer speziellen Software für den Onlinesupport ermöglicht er den schnellen Zugriff auf die Maschinensteuerung und die Anlagenkomponenten. Dabei nutzt er ausschließlich eine sichere, unmittelbare VPN Verbindung, die sich weltweit bei einer großen Anzahl von Firmen mit Produktionsanlagen bewährt hat.

Für die Arbeit direkt an der Anlage nutzte das Projektteam Virtual Reality: Mitarbeiter vor Ort trugen Helme, auf denen Kameras montiert sind, sodass andere auch aus der Ferne einen Eindruck von der aktuellen Situation bekamen. Zusätzliche Informationen wurden über AR-Brillen eingespielt, so hatten die Mitarbeiter in Deutschland in bestimmten Situationen „live“ den realen Blick auf die Anlage.

Für Projektbesprechungen mit mehreren Teilnehmern verwendeten die am Projekt Beteiligten häufig die Microsoft Teams Plattform. Bei der direkten persönlichen Kommunikation untereinander und in kleinen Gruppen hat sich WhatsApp bewährt. Dabei machte es keinen Unterschied, ob Teammitglieder an ihrem Arbeitsplatz oder vom Homeoffice aus arbeiteten.

Die Vorbereitungen

Da die Maschine seit mehr als 20 Jahren in Betrieb ist und sich in der Zwischenzeit die eine oder andere Modifikation ergeben hatte, führte Hulamin einen vollständigen 3D Scan sowohl der eigentlichen Anlage als auch des gesamten Umfeldes aus: Bei der Installation sollte es keine Überraschungen geben.

Auf der Grundlage der in Kreuztal vollständig vorhandenen Dokumentation und des 3D-Scans erzeugte Georg einen digitalen Zwilling. Er war die Grundlage für Konstruktion und Integration der neuen Komponenten. Außerdem machte er es möglich, die mit der Produktionssteigerung einhergehenden zusätzlichen Coilbewegungen im Zusammenhang mit der gesamten Hallenlogistik zu analysieren. Das Ergebnis war, dass eine Coilfähre mit drei Ablageplätzen integriert wurde, denn der Kran auf der Einlaufseite der Anlage war mit der Zuführung der Coils bereits stark ausgelastet.

Auch bei der Gestaltung der Sicherheitsmaßnahmen war der digitale Zwilling ein wertvolles Werkzeug: Entlang des Fahrweges der Coilfähre waren im Laufe der Jahre zusätzliche Engstellen entstanden, die der 3D-Scan detailliert wiedergegeben hat.

Ein willkommener Nebeneffekt des digitalen Modells war, dass es fast ein Jahr vor der Inbetriebnahme verfügbar war. So konnten die künftigen Bediener zu einem frühen Zeitpunkt sehr realitätsnah geschult werden.

Der Umbau

Während der Umbauphase fand jede Woche ein umfangreiches Projektmeeting mit Microsoft Teams® statt. Jeden Tag gab es eine Online-Besprechung im kleineren Kreis, bei der die aktuellen Tätigkeiten diskutiert wurden und an dem auch die externen Ingenieure von Georg vor Ort teilnahmen.

Die Abläufe im Werk machten es erforderlich, dass die Anlage auch während der Umbauarbeiten weiterhin jeden Tag jeweils eine Schicht lang für das Querteilen zur Verfügung stand. Durch organisatorische Maßnahmen hat die Produktionsleitung es eingerichtet, dass generell nachts abgetafelt wurde. So konnten die Umbauarbeiten zum großen Teil tagsüber stattfinden.

Dies bedeutete für die Programmierer aber auch, dass sie die gesamte Anlage jeden Abend in einen Zustand versetzen mussten, der das prozesssichere Querteilen gewährleistete. Dies hat auf der einen Seite einen gewissen Mehraufwand erzeugt, stellte jedoch gleichzeitig sicher, dass jede noch so geringfügige Änderung lange Zeit vor der Abnahme der Gesamtanlage sorgfältig getestet war.

In der Konsequenz verliefen die Abnahmetests auf Anhieb erfolgreich. Auf den Tag genau am ursprünglich geplanten Termin, dem 30. April 2021, hat das Projektteam die Combiline an die Produktion übergeben. Seitdem nutzt Hulamin die Anlage jeden Tag während einer Schicht als Querteilanlage und während der beiden anderen als Besäum- und Umwickelanlage.

Die Bilanz

Ohne die intensive digitale Kommunikation über Kanäle wie den Georg Connected Service wäre die Erweiterung der Anlage und ihre erfolgreiche Inbetriebnahme unter den gegebenen Umständen nicht ansatzweise denkbar gewesen – das Projekt hätte für viele Monate auf Eis gelegt werden müssen.

Die neue Combiline kann jetzt sehr viel flexibler eingesetzt werden und erhöht so die Lieferkapazität des Werkes insgesamt. Mit der neuen S7-Steuerung ist sie jetzt fit für die nächsten 10 bis 20 Jahre.

Die digitalen Tools, die zum Einsatz kamen, haben sich bei der Installation der Maschinen sowie bei der Anbindung an Elektrik, Hydraulik und Prozesssteuerung bewährt. Das Management von Hulamin bewertet das Projekt als herausragenden Erfolg: das vermeintlich Unerreichbare sei erreicht worden. Der erfolgreiche Umbau war und ist der „talk of the company“.

Wir wollen aber nicht verschweigen, dass der direkte Kontakt zwischen Menschen speziell in der Endphase von Projekten weiterhin Vieles einfacher macht. Der weitaus überwiegende Teil der Programmierarbeiten wurde erfolgreich aus der Ferne erledigt, aber das Feintuning, bei dem Maschinen optimal eingestellt werden, stellte eine Herausforderung dar. Speziell bei dieser Tätigkeit wäre die Anwesenheit von Spezialisten vor Ort hilfreich gewesen, denn trotz aller Diagnosetools ist es dann wichtig, die Maschine und das Band mit den eigenen Augen zu sehen, die sieben Sinne zu nutzen und unmittelbar mit den künftigen Nutzern zu sprechen. Und ein wichtiger Programmpunkt muss baldmöglichst nachgeholt werden: das gemeinsame Bier zum Ende eines erfolgreichen Projektes.

Die Zukunft

Auch auf die zukünftige Zusammenarbeit von Hulamin und Georg hat das Projekt positive Auswirkungen: Die Online-Verbindung mit Georg, die für das Projekt etabliert wurde, macht schon jetzt vieles schneller und einfacher, denn mit Tools wie „Remote Diagnostics“ kann Georg viel schneller Supportanfragen beantworten als vorher.

Vor zwei oder drei Jahren hätte niemand für ein solches Projekt digitale Tools ernsthaft in Betracht gezogen. Doch in Zukunft werden sicher mehr und auch umfangreichere Projekte „remote“ bearbeitet, gerade jüngere Leute werden die neuen Tools wie selbstverständlich und noch intensiver nutzen.

 

Autoren:

Nick Kegge, technical specialist slitting, cutting, and packing, Hulamin Limited, Pietermaritzburg, Süd Afrika
Axel Sturm, Leiter Produktbereich Service, Heinrich Georg GmbH Maschinenfabrik, Kreuztal, Deutschland

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